Bremen, den 29.8.43
An meinen kleinen Sohn!
Dies ist ein Brief, mein kleiner Sohn, der Dir geschrieben
sein soll,
wenn Du einmal groß bist...
Noch liegst Du in Deiner kleinen Wiege, räckelst Dich und
schaust mit
Deinen blauen Kulleraugen in die Weltgeschichte hinein,
nichtsahnend
von dem großen Weltenringen von Sein oder Nichtsein.
Mütterlich
behütet gedeihst Du prächtig. Deine Mutter ist eine echte
Mutter.
Unermüdlich ist sie um Dein Wohl bedacht. Danke es ihr
einst! Und Dein
Vater rüstet sich wieder einmal zu einer großen Fahrt. Es
geht um unser
Vaterland, um unser Volk und letztenendes auch um Dich und
Deine
Zukunft. Schon früh haben Deine Eltern sich kennengelernt.
Und in der
schwersten Zeit, in der Zeit großer völkischer Not und Größe
haben sie
geheiratet und ein Heim gegründet. Oftmals mußte Dein Vater
wieder
hinaus zur erneuten erfolgreichen Atlantikschlacht. Immer
kehrte er
siegreich heim. Sein Leben um das Höchste gewagt zu haben,
das allein
schon ist ein Sterben wert. Es darf niemand seiner Stunde
etwas
schuldig bleiben, sonst bleibt er seinem Kinde das Beste
schuldig: Den
Glauben an die Eltern. Über dieses Erbe geht kein anderes,
über allem
aber steht die Ehre. Denn der Tag kommt in jedes Mannes
Leben: da
trittst Du vor Gott - oder tritt Gott vor Dich - mit der
Frage nach
dem Sinn des Lebens. Der Sinn des Menschenlebens aber liegt
in der
Erfüllung des Menschentums, und das Menschentum beginnt
dort, wo der
Mensch über sich hinauswächst, wo ihm die Gemeinschaft, wo
ihm das
Gemeinsame Große mehr gibt, als sein eigenes Ich-lein.
Mein kleiner Sohn, ich kämpfe nicht einfach für Dein Leben,
für unsere
Heimat, für die Sicherheit Deiner Zukunft. Ich kämpfe auch
vor allem
um den Sinn des Lebens, und ich sterbe für Deinen Glauben an
das
Leben.--
So ist das, Du kleiner Kerl, werde groß, stark und männlich.
Packe
dann das Leben mit harten Fäusten an und meistere es. Was
immer Du
einmal später werden wirst, werde es ganz! - Verabscheue jede
Oberflächlichkeit und Halbheit. Werde ein ganzer Kerl! -
Dies, mein Sohn, schreibt Dir Dein Vater zum 21. Geburtstag,
zum Tage
Deiner Mündigkeit
in Treue
Dein Vater
Heinz-Walter Schulz
Kapitänleutnant (Ing.)