1964 7.1. Bei Peter Pott Alter Mastenkeller, Rinaldo Jürgen, Harlekin, Schatti, Wühli, Amigo, Jens Werbeveranstaltung - Heim Sophienblatt 29.1. Eidergautreffen 1.2. Stammesfest bei Oma im Krankenhaus - Trupptreffen Ostgoten - Verwaltungstreffe 15.-16.2. Landesthing für Oma Bilder gemacht 22.2. Stammesführerfahrt nach Kühren Musikwochenende mit Jens - Kornettlagereinladungen - Zuschüsse vom Land 21.3. 1964 Gründung der Aufbaugruppe Wenden in Heikendorf 27.-30.3. Lager bei Kühren, Schnee und Eis - Westgoten - Ostgoten und Burgunder 5.4. Onkel Adolf und Tante Hilde silberne Hochzeit Garten graben bei Oma - Tante Käthi Buchführung 19.4. Pfingstlagerbesprechnung in der DJH - Sippenführerlehrgang - Rovertreffen 29.4. Modenschau Oma 16.-18.5. Kornettlager am Lanker See 6.-7.6. Eidergaufahrt Stammesrat - Stammeszeitung toky - Probenfahrt - Versprechen Abteilungsfest Landesbank - Volksfest Kieler Woche 3.-13.7. 1964 Mitgefahren mit Truppfahrt Goten nach Dänemark, vorzeitig zurückgefahren Bernd Kühn Geburtstag auf Knoop - Werbung für Pfadfinder in Heikendorf Sippe Marder, Trupp Wenden - Flüschi, Uli, Fietschi, Horst Thiede 30.8. Am Dobersdorfer See mit Sippe Marder Feldmeistertag - Geländespiel - Abschiedsfest Landesbank 1.10. 1964 Aufnahme des Studiums an der Akademie für Wirtschaft und Politik in Hamburg 3.-4.10. Stammesfahrt nach Methorst Teich Volkswagen Käfer; Zimmer in Altona - Elke Franzen 23.10. Einzug bei Jochen Senft in Hoisdorf 25.10. Beteiligung der Pfadfinder an einer Ausstellung in der Ostseehalle 25.10. Oma gestorben 21.-22.11. Bei Tante Lieschen in Emden Bei Peter Pott - In Methorst Eidergaufest - LB-Pfadfinder angeboten 15.12. Treffen mit Moritz von Engelhardt 23.12. Eidergautreffen Musisches Silvestertreffen in Hoisdorf |
Ich fand auch ein handschriftliches Tagebuch von mir, das den Zeitraum vom März 1964 bis zum Oktober 1965 umfaßt. Es war die Zeit, in der ich mit Leib und Seele in der Pfadfinderei aufging, mich aber auch andere Fragen beschäftigten. Auszüge in den Kästen dieser Hintergrundfarbe. |
6. März
1964
8. März 1964 Ich will die Musik, sie aber will mich nicht. Es stimmt mich traurig, wenn ich mein unartikuliertes Brummen aus Gründen der Rücksichtnahme unterlassen muß und die anderen unbeschwert weitersingen. Jens meinte zwar, ich sollte auch zum nächsten Musikwochenende kommen, aber was nützt's? Zwar höre ich gern zu, doch ich komme mir überflüssig vor. Da gehe ich lieber, innerlich singend, auf Fahrt. 9. März 1964 Es ist reiner Wahnsinn. Vor mir liegt ein dicker Stapel von Staten. die Beträge sind zu ordnen: bis 1.000.--, bis 10.000,-- DM bis 20.000,-- DM usw. Es sind 5% der Größenklassengliederung der Kredite. Das Gestrüpp von Kontenklassen -gruppen -kreisen von Bögen, Staten und Konzernlisten, von Positionen, Verlagerungen und Kompensationen ist undurchdringlich für mich, ich habe auch keine Lust dazu. Um meine Arbeit zu erledigen muß ich mich aber mit allem beschäftigen. Was soll das alles? Eine kleine Statistik! Seltsame Blüten, und ich muß sie ausbaden! PS: aus heutiger Sicht (Jahr 2009): Es handelt sich dabei um ein Stimmungsbild aus meiner Zeit als Bankangestellter bei der Landesbank und Girozentrale Schleswig-Holstein in Kiel. Es war die Zeit, als der ich schon als Angestellter arbeitete, nach der Lehre. Ich erinnere noch, wie meine Blicke oft aus dem 9. Stock des Hochhauses, dort lag mein Arbeitszimmer, aus dem Fenster über die Stadt in die Ferne schweiften. Hier wollte ich nicht auf Dauer bleiben. Mein Schicksal sollte nicht mit diesem Arbeitsplatz besiegelt sein. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, in die Holtenauer Str. 149, entdeckte ich eines Tages im Jahr 1963 ein Plakat der "Akademie für Wirtschaft und Politik" in Hamburg, mit dem Angebot eines Studium auch ohne Abitur, nach Ablegen einer Aufnahmeprüfung. Zu der meldete ich mich dann an. 10. März 1964 Gestern hatte Herr Meyer Geburtstag (Abteilungsleiter der Bilanzabteilung). Heute gibt es Kaffee und Kuchen. Alle Damen und Herren, sprich Spießbürger, der Abteilung setzen sich um drei zusammengestellte Schreibtische, die improvisatorisch gedeckt sind. Alle setzen sich brav herum, unterhalten sich über Banalitäten und lachen über die dümmsten Sachen. Daß ja das Gespräch nicht abreißt, das ist die Sorge. Die Sahnestückchen werden hurtig vertilgt. Herr Meyer bietet - wie gewöhnlich - Zigarren und Zigaretten an. Herrn Abc und Herrn Blumpott Zigarren. Wie mich das langweilt, fast so sehr wie die Arbeit manchmal. "Herr Parkettny (der Lehrling), schließen Sie mal die Tür zu", meint der Chef mit Gönnermiene. Dann zieht er eine Flasche Schnaps hervor. Jeder bekommt 1-2 Gläser. "Das tut gut", ist die Meinung natürlich. Die Tür ist zu, es kann nichts passieren. Daß ich nicht lache. Um 1/2 5, zum Dienstschluß, ist der ganze Spuk vorbei. Jeder strebt schnellstens nach Hause. Die "Gemeinschaft" in der Abteilung ist vorgetäuscht. Das Privatleben geht vor. Mir ist es recht. |
21. März 1964 Gesiegt! Heute war ich in der Turnhalle. Horst stellte mir einen Jungen vor, der sich für die Pfadfinderei interessierte. Wir setzten uns in einen halbhohen Nebenraum, zusammen mit Dietmar, einem Kameraden von Horst. Ich erzählte etwas über die Pfadfinder. Erst wollte das Gespräch nicht so recht in Gang kommen. Als aber ein paar hinzugekommene Jungen gespannt mit zuhörten und ich ihnen die Teilnahme an unserem Osterlager in Aussicht stellte, waren alle hell begeistert. Da löste sich auch meine Zunge etwas mehr, das Eis war gebrochen und ein eifriges Gefrage und Gerede entstand. Für Montag um 18:00 Uhr verabredeten wir uns bei mir. Sie wollten zu Hause fragen, ob sie mitdürfen, und noch Freunde gewinnen. Wie waren die Jungs begeistert, wenn ich an die vielen vor die Säue geworfenen Perlen bei meinem Stamm denke. Entscheidend ist natürlich, ob ich die Jungen auch halte und ob sie auch ohne mich als Pfadfinder einmal existieren können. Meine Freude wird bestimmt noch manchen Dämpfer erfahren. Horst gratulierte mir: das, was er jahrelang versucht hat, ist mir in einer guten Stunde zuteil geworden: die Begeisterung der Jungen. PS aus heutiger
Sicht (Jahr 2009): 1963 waren wir nach
Heikendorf gezogen. Zu dem Zeitpunkt war ich "Stammesführer" der
Pfadfinder des Stammes "tom kyle" in Kiel, einer Gruppe, die über
hundert Jungen umfaßte. Eine Reihe von gleichaltrigen und etwas
jüngeren jungen
Männern bildete die Führungsclique, mit der ich zum dem
Zeitpunkt unzufrieden
war, wie auch mit der Haltung vieler Jungen. In Heikendorf reizte mich
die
Aufgabe, "frisch" anzufangen und eine neue Gruppe aufzubauen. In der
Tat gelang es eine ganze Reihe von Jungen für das Leben in freier
Natur zu
begeistern und mit ihnen tagelang durch die umliegenden Wälder zu
streifen. Die Neugründung dieser Gruppe war aber auch aus einem
anderen Grund sehr bemerkenswert: Sie bekam eine Art von
demokratischer Verfassung mit regelmäßigen Neuwahlen.
Damit war etwas ans Licht gekommen, was für mich mit dem Lesen von
"Erziehung in Summerhill" begann und schließlich zur
Schüler- und Stundenbewegung, der 68-er-Bewegung führen
sollte. Sogar das Rotationsprinzip der späteren GRÜNEN Partei
war schon in dieser Satzung, genannt Magna Commitia Wendini,
vorweggenommen. Fünf Jahr später sollte der Bund Deutscher
Pfadfinder and dem Konflikt zwischen Traditionalisten einerseits und
den Revolutionären und Reformern andererseits zerbrechen. Die
Welt, in der ich mich 1964 bewegte war noch sehr klein und provinziell,
aber die großen Worte waren schon gefunden. 21. März 1964 Wie lange wird mein jungenschaftliches Feuer noch brennen? Wie lange werde ich noch Jungen begeistern können und mit ihnen durch dick und dünn gehen? Hellwach muß ich bleiben, um meine Offenheit gegenber der Natur, der Gesellschaft und den Ideen zu bewahren zu können. Wehe, wenn ich einmal das Brett nicht mehr sehe, das ich vor dem Kopf habe. Wie lange werde ich noch mit jugendlicher Unvoreingenommenheit, mit der Freude am außergwöhnlichen, mit viel Phantasie an die großen und kleinen Probleme herangehen können? Ich WILL es immer! Ob es mir gelingt? PS aus heutiger Sicht (Jahr 2009): Bin nicht unzufrieden. 24. März 1964 Heute war ein Eidergautreffen. Das Referat habe ich gehalten. Es hieß "Sowjetideologie". Leider ist es mir nicht so gelungen, wie ich es mir gedacht hatte. Das Sachgebiet ist zu umfassend. Um einen Vortrag zu halten muß man die Materie wirklich beherrschen. Zwar habe ich alles verstanden, was meine Arbeitsunterlagen (Grundlagen der marxistischen Philosophie, Sowjetideologie heute I + II) gebracht haben, aber um etwas klar wieder zu bringen, muß man die Materie doch mehr als verstehen. Die Diskussion nahm einen recht verschwommenen Verlauf. Wirkliche Kernfragen wurden kaum angesprochen. Schade, daß ich dieses Thema genommen habe, etwas anderes hätte vielleicht mehr gebracht. Grundsätzlich ist zu sagen, daß der Eidergaukreis an Wert verloren hat, in Form und Inhalt. Wie stelle ich mir den Eidergaukreis vor? Das Thema sollte aktuell sein, auf jeden Fall für denjenigen, der es bringt. Das Problem kann von großer oder alltäglicher Bedeutung sein. Etscheidend ist, ob wir dananch mit dem befriedigenden Gefühl nach Hause gehen, etwas für uns gewonnen zu haen. Dies braucht nicht unbedingt Wissen zu sein, es sollte mehr uns IN UNSEREN ANSICHTEN STÄRKEN ODER ZWEIFELN LASSEN. Eine gut fundierte Meinung braucht zwar einen guten Teil Wissen als Grundlage, aber seine Aneignung kann auch privat geschehen. Das Eidergautreffen sollte einem Sturm gleichen, der manches "Brett vorm Kopf" anlüftet oder gar abreißt. PS aus heutiger Sicht (Jahr2009): Für meine Entwicklung war der Eidergaukreis von großer Bedeutung. Er wurde angeleitet von dem Doktoranden Peter Pott (er promovierte über Nietzsche). Sein Bestreben war ein subversives: uns der bürgerlichen Gesellschaft abspenstig zu machen, was ihm teilweise gelang. Wir beschäftigten uns mit den Existenzialisten und waren bestrebt, im Denken und im Stil uns abzuheben von denen die in der großen Herde liefen. Als noch kaum jemand in Deutschland über "Antiautoriäre Erziehung" sprach, wurde im Eidergaukreis das Buch "Erziehung in Summerhill" gelesen, das später eine so große Rolle spielen sollte. Für eine Pfadfindergruppe war das recht ungewöhnlich. In einer Zeit, als begonnen wurde, die geistige Starre nach dem Zweiten Weltkrieg vorsichtig aufzubrechen, hatte diese Gruppierung starke Impulse. Der Eidergaukreis wurde bundesweit bekannt und übernahm in der aufkommenden pädagogischen Diskussion, personifiziert in Dr. Peter Pott, die Meinungsführerschaft im Bund Deutscher Pfadfinder. Im Gefolge von Peter Pott übernahm ich Jahre später eine Stelle als Pädagogischer Referent in Berlin, mit der Aufgabe, die neuen Ideen bundesweit umzusetzen. |
22.3. Bundeskanzler Ludwig Erhard bekräftigt die Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen.
27.-30.3.
Lager bei Kühren, Schnee und
Eis
- Westgoten - Ostgoten und Burgunder
Am Baum stehend: Wühli, ganz
rechts stehend: Bernd Kühn. Ganz rechts sitzend: Günther
Sander
Selbst: Dritter von rechts.
Rechts mit Pudelmütze. Es war eiskalt in dem Lager gewesen.
5.4. Onkel Adolf
und
Tante Hilde silberne Hochzeit
Garten graben
bei
Oma - Tante Käthi Buchführung
19.4.
Pfingstlagerbesprechnung
in der DJH - Sippenführerlehrgang - Rovertreffen
Ich hatte eine
Regenbogenhautentzündung, hierzu zwei Briefe von meinen
Großeltern Schulz:
29.4. Modenschau
Oma Schulz
16.-18.5.
Kornettlager am Lanker See
Auf Landesebene hatte ich,
zusammen mit Peter Pott, Verantwortung für Ausbildungslager
für Pfadfinderführer übernommen. Kornettlager waren
gedacht, Sippenführer zu qualifizieren. Ich machte mir auch sehr
viele Gedanken zur Entwicklung der Pfadfinderei, was sich in langen
Grundsatzpapieren niederschlug, wie hier in: "Stärker
werden mit neuen Methoden".
6.-7.6.
Eidergaufahrt
Stammesrat -
Stammeszeitung
toky - Probenfahrt - Versprechen
Abteilungsfest
Landesbank
- Volksfest Kieler Woche
Am 10. Juni vollendete ich das 21.
Lebensjahr und wurde somit volljährig. Meiner Mutter schenkte ich
aus diesem Anlass 21 rote Rosen. Sie händigte
mir ihrerseits einen Brief aus, den meiner Vater vor der letzten
Feindfahrt mit seinem U-Boot mir geschrieben hatte, mit der
Bedingung, dass mir dieser zu meiner Volljährigkeit
ausgehändigt wird. Nun war es also so weit gewesen. Mit dem Inhalt
das Briefes konnte ich rein garnichts anfangen. Er zeigte mir, in welch
anderer Welt ich nun lebte. Wir konnten uns nichts mehr sagen, aber wir
hatten uns auch nichts mehr zu sagen, abgesehen davon, dass ich ihm
sagen könnte, dass er auf dem völlig falschen Dampfer war,
mit dem er dann traurigerweise abgesoffen ist.
Zum Geburtstag lud ich zu einem
"Gartenfest mit Tanz". Die untenstehenden Dokumente zeigen deutlich
meine Verhaftetheit in den bürgerlichen Konventionen. Weit war es
mit der Revolution noch nicht gediehen. Aber von ihr war zu der Zeit
ohnehin noch keine Rede. Mädchen und Frauen kamen in meinem Leben
nicht vor, und wenn, dann lediglich als "Tanzdame", sozusagen als ein
wünschenswertes Zubehör. Geprägt war ich offensichtlich
auch durch den Stil des geschäftlichen Schriftverkehrs, wie das
untenstehende Mahnschreiben zeigt.
12.6. Die DDR und die UdSSR unterschreiben in Moskau den auf 20 Jahre befristeten Vertrag "über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit". In dem Vertrag wird erstmals von zwei souveränen deutschen Staaten ausgegangen und West-Berlin als selbstständige politische Einheit betrachtet. Die Westmächte und die Bundesrepublik lehnen diese "Dreistaatentheorie" ab.
18. Juni 1964 Ich kämpfe für eine Idee, die Idee des Menschseins, für hohe Ideale, die ich selber nicht nicht besitze. Aber wer sein Ziel sehen kann, der steigt leichter. Ich hasse Nachgiebigkeit gegen sich selbst und Unbeherrtschheit. Ich hasse Oberflächlichkeit und Sturheit - und bin das alles selbst, oder nicht? Man sagt, ich bin stur, unzuverlässig, oberflächlich und mehr von dem, was ich nicht sein will und bei anderen mißbillige - Es ist schwer, den Kurs zu halten, leicht gleitet man in die bequeme Bahn, besonders dort wo man sowieso nur aus bürgerlichen Motiven aushalten muß. Ich stoße dort viele vor den Kopf, weil ich mich nur unzureichend arrangiere. Aber was soll ich machen, ich verachte das blöde Volk um mich herrum, es ödet mich an mit seinen Themen. Ich will zu mir kommen, und habe aber den Klotz des Alltags am Bein, der mich häufig in den Bereich der Nebel zieht, die meinen Blick verschleiern und mich irren lassen. Aber ich will! |
27. Juli 1964 Mit der Pfadfinderei mache ich jetzt Schluß, der Brief an den Stammesrat ist geschrieben. Die Gründe habe ich ausführlich genannt. Ich habe vier Gründe, allerdings bringe ich im Brief nur die zwei ersten und den dritten kurz. 1.) Die von mir geplante Organisation und Verwaltung klappt nicht wegen Unzuverlässigkeit und mangelndem Einsatz. 2.) Ich bin nicht mit der Haltung der Jungen als Pfadfinder zufrieden. Ferner sind die Führer der Sippen und Trupps als Führer mehr oder minder ungeeignet. 3.) Stil, Takt, das Verhältnis zur Natur und die Fahrten gefallen mir nicht. 4.) Ich vermisse meine Idee in ihren Reihen. STIL - das "wie" des Lebens. 10 Gebote, Pfadfindergesetze, Gesetze bilden den z. T. selbst anerkannten Rahmen. Das Moment der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit ist maßgebend. Das gilt für Wort und Schrift, Auftreten, Kleidung und Wohnung - schlicht und einfach, aber harmonisch. TAKT - das Gefühl für das Passende und das Unpassende VERHÄLTNIS ZUR NATUR - Ich fühle mich stest als ein Teil der Natur und mich eng mit ihr verbunden. Geburt, Krankheit, Tod, alles das bekommt einen selbstverständlichen Charakter, wenn man das Werden und Vergehen beobachtet. Leider bin ich im großen Wald der Natur ein Baum, der fast ganz entwurzelt ist. Meine Verbindung mit der lebendigen Natur ist nur schwach, aber sie soll unerschütterlich sein. MEINE
IDEE -
Ich bin da, bestimmt dazu,
soundsoviel Jahre zu leben. Welche Tatsachen stehen fest? Für
diese Zeit muß
ich für meine Erhaltung sorgen (Selbsterhaltungstrieb). Das ist
alles! Suche
ich Rat, Hilfe oder Erholung, so kannmir diese nur von der Natur, dem
Schöpfer,
Gott gegeben werden, denn er ist
der Vater meines Lebens und nur ihm bin ich verpflichtet. Hier treten
nun
weitere Bindungen an mich heran: Die Religion. Ich glaube ihr, weil sie
meinem
Gewissen entspricht. Doch Zweifel tauchen auf: Kann mein Gewissen nicht
auch
schon durch die Religion geformt sein? In der Natur gilt das Recht des
Stärkeren. Eine weitere freiwillige Bindung ist das
Pfadfindergesetz. Doch die
große Fessel ist das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft.
Sie ist Zwang,
denn essen und trinken und mich versorgen, das muß ich. Ein
großer
Ameisenhaufen voller Arbeitsteilung, das ist die Welt der Leute. Ich
muß
mitmachen in diesem Theater, suche mir aber meinen Weg. |
4. Sept. 1964 Es ist doch anders gekommen, ich bin noch Stammesführer. Meine Arbeit hat sich geändert: Verwaltung und Organisation sind etwas in den Hintergrund gedrängt; der Mensch, hier der Sippen- oder Truppführer, steht im Mittelpunkt. Rücksichtslos lasse ich alle Jungen fallen, die nicht in die richtige Spur kommen, es sei denn, ich halte sie aus Zweckmäßigkeitsgründen, wenn sie nicht alleine gehen (Schatti), da kein z. Zt. besserer Führer vorhanden ist. Ebenso schwungvoll, wie ich alte Pf. versinken lasse, hebe ich mir fähig erscheinende ältere Neulinge empor und kümmere mich intensiv um sie. Das ist ein fruchtbareres Arbeitsgebiet als der Ärger mit dem Stamm... 14. September 1964 Im Anschluß an den Feldmeistertag hatte ich noch Pepo, Swob und Günther bei mir in Heikendorf. Wir beurteilten den FM-Tag recht positiv, da die Führer im wesentlichen aufgeschlossen sind und unserer Linie folgen. Es fehlt zur Zeit nur noch der zündende Funke, die Theorie ist gut, die Idee geradezu ausgezeichnet, die Frage ist nur, wie wir dies auf die direkte Gruppenarbeit transformieren, wie wir dort in diesem Sinne wirken können. Bisher ist fast alles Krampf und lasch und fade! Es fehlt ein gewisses Etwas, ein Pulverfaß, aus dem sich das große Feuerwerk entwickelt auf das der BDP schaut. Wir MÜSSEN uns etwas einfallen lassen, etwas außergewöhnliches, ganz neues! Draußen wütet ein schweres Gewitter. Die Energie erhellt das Land weit und breit! Ein Anblick, der einem eine Gänsehaut entstehen läßt - und dann der rote Feuerschein hinter dem Wald, der dunkle Ahnungen weckt. So wie die Blitze mit unwiderstehlicher Gewalt und Wucht die Erde erreichen, so sollten auch die Gedanken zünden und einschlagen, welch eine grandiose Vorstellung. 19. September 1964 Heute unterhielt ich mich mit Herrn Raabe (Professor der Biologie), einem alten "Jugendbewegtem". Er gehört heute zum "Freideutschen Kreis". Wir stellten fest, daß die Jugend heute pro-erwachsen eingestellt ist, da. h. den Lebenstil und -inhalt der dominierenden Gesellschaftsschicht bejaht und anzunehmen trachtet. Herr Raabe hat mich beeindruckt: hager, einfach gekleidet, lange Haare; eine Persönlichkeit. Er wägt seine Worte ab, ist einfach und vornehm. Zum Bündischen (habe ich leider nicht angeschnitten): Vorwurf and das "alt-bündische": es isolierte sich. Das "neu-bündische" steht ideel auf den gleichen Grundlagen, ist aber weltoffen und schreitet zur Tat. Eine geistige Elite soll nicht im eigenen Fett schmurgeln, sondern in das Geschehen eingreifen und es beeinflussen. |
9. Oktober 1964 Die
Menschen
arbeiten, leben, rennen,
ärgern sich, nehmen alles todernst - bis sie eines Tages nicht
mehr pusten
können und von der Bildfläche verschwinden. Was haben sie
geschafft? Es bleiben
architektonische, sonstige Erbaulichkeiten und Produkte der Kunst
zurück. Viele
kluge Bücher und Schriftenhabensich angesammelt, die nur noch von
weniger
überschaut werden können. Welche Fortschritte wurden erzielt?
Per
Saldo
keine. Die Technik wurde zum Verbündeten des Humanismus und
gleichzeitig ihr gefährlichster Feind. Die Geschichte läuft
in sich zurück, sie
scheint nur vielförmige Bewegung ohne Ziel zu kennen. Alle drehen
kräftig an
diesem Rad der Geschichte, weil sie glauben, drehen zu müssen,
sind emsig wie
die Ameisen und glauben ein besseres Leben zu gewinnen und über
diese
Bemühungen vergessen sie das eigentliche Leben, vergessen sich und
laufen
wahnwitzig bis zur Erschöpfung im Kreise. - Ich muß
mitlaufen,die Natur
verlangt es von mir. Ich kann mich nicht als passiver Zuschauer auf
einem
Tribünenplatz niederlassen, doch hasse ich den hysterischen Tanz
um das Goldene
Kalb. Noch taste ich mit vorsichtigen Schritten, suche abseits von der
Hauptstraße einen Weg. Wohin? Ich weiß es nicht. Ob ich es
je wissen werde? Es
gibt keinen letzten Schluß der menschlichen Weisheit. |
8.
November
1964 |
21.-22.11. Bei
Tante
Lieschen in Emden
Bei Peter Pott -
In
Methorst Eidergaufest - LB-Pfadfinder angeboten
Man war auf mich aufmerksam geworden
und bot mir das Amt des Landesbeauftragten für die Pfadfinderstufe
auf Landesebene des Landes Schleswig-Holstein an. Damit wendete ich
mich mehr und mehr von meinen pfadfinderischen Wurzeln in Kiel und
Heikendorf ab.
10.12. Bei der Verleihung der Nobelpreise erhält der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King (1929-1968) den Friedensnobelpreis für seine gewaltlosen Protestaktionen zur Erlangung der Gleichstellung der Schwarzen.
15.12. Treffen
mit
Moritz von Engelhardt
Moritz von Engelhardt arbeitet
hauptamtlich für den Bund Deutscher Pfadfinder und war die
wichtigste Person im Hinblick auf die Neuausrichtung des Bundes. Mit
Jochen Senft trat er für "zivilere" Pfadfinderei in. Weniger
Waldläuferei, mehr Spiel, Musik und Kultur. Er sollte später
der Nachfolger von Jochen Senft werden.
19.12.
Trupp Wenden aus Heikendorf selbständiger Stamm
16.
Dezember
1964 |